
Schon in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts titulierte eine Prominente Kulturschaffende: “Niemand kennt mehr eine Ballade, schade.” Na und? Ist das wirklich so schlimm? Seither wurde mit der zunehmenden Entwicklung der Computergames mehr als einmal der Untergang der abendländischen Kultur herauf beschworen. Wenn niemand mehr Bücher liest, dann verdummen uns die Kinder! Meinen viele Kulturschaffende. Aha!
Ich als Geschichtenerzähler mache mir natürlich selbst Gedanken dazu. Wie wird die Zukunft des Geschichtenerzählens aussehen?
Schauen wir doch mal in die Vergangenheit! Denn dort wurde das Buch ehemals als große Gefahr angesehen – für die Moral der jungen Damen!
Das Buch zerstörte die Sozialstruktur!
Über unzählige Zeiten hinweg gehörte das Geschichten Erzählen zu den zentralen Bestandteilen einer Gemeinschaft. Abends am Feuer und in langen Winternächten erzählten sich die Menschen von Generation zu Generation ihre Sagen, Legenden und Erlebnisse. Sie schweißten die Gemeinschaft zusammen, schafften Identität und verhalfen, das Wissen einer Gesellschaft weiter zu tragen. Noch heute geschieht dies bei einzelnen Völkern. Auf Märkten besaßen die Geschichtenerzähler und Bänkelsänger eine wichtige Funktion für die Menschen. Man kam zusammen, war beieinander und erfuhr wichtige Dinge.
Als in der Mitte des 17. Jahrhundert schöngeistige und philosophische Literatur rapide zunahm, war die Sorge groß, dass die Literatur den jungen Damen großen Schaden zufügen könnte. Die Obrigkeit wollte sogar die Lektüre der Bücher verbieten. Denn die Damen schotteten sich ab, versanken in die Welt der Bücher, verloren sich in den romantischen Geschichten. So deren Meinung. Denken wir nur an die fatalen Folgen, die manche Werke der Romantik bewirkten. Stichwort “Die Leiden des jungen Werther”.
Wichtig aber ist, dass die Menschen alleine für sich ihre Bücher gelesen haben und lesen. Keine Gemeinschaft, die zuhört, keine Gruppe, mit der man die Geschichten des Stammes erzählt bekommt.
Den Büchern folgten einige Zeit später die Bewegtbilder, also die Filme. Lange Zeit haben die Kulturschaffenden und Kritiker gebraucht, dieses Metier als Kunst zu betrachten. Kaum zu glauben, beim Anblick einer Oscar-Verleihung!
Als die ersten Comic-Hefte auftauchten, war der Aufschrei groß. Wie lange weigerten sich die Eliten, diese Form als Kunstrichtung anzuerkennen. Und was ist heute? Die Hefte der ersten Jahre sind teure Sammlerobjekte. Und spätestens seit Asterix und Obelix begannen auch die Intellektuellen Comics zu lesen.
Mit den Computer-Spielen tauchen wir nun seit geraumer Zeit in eine vollkommen neue Dimension des interaktiven Geschichtenerzählens ein. Teilweise hunderte von Spezialisten arbeiten an der Umsetzung und Programmierung der Drehbücher, die von professionellen Autoren geschrieben werden. Die Spielerinnen und Spieler gestalten die Geschichte mit. Digitales Geschichtenerzählen birgt unglaublich viel Potenzial. Es ist Kunst. Da bin ich mir sicher.
Für uns GeschichtenerzählerInnen, also ehemals SchriftstellerInnen, stellt sich die Herausforderung, dieses neue Medium besser zu verstehen und zu nutzen.
Ich liebe Bücher! Und ich will sie auch zukünftig in den Händen halten dürfen. Die Ergebnisse eines Game-Writers sind mit Sicherheit auch nicht mit einem Buch zu vergleichen! Aber, mich reizt auch das Neue. Lasst es für uns erschließen!
Die Entwickler Dan Connors und Kevin Bruner von Telltale sagten jüngst in einem Interview: ” “Wir verstehen gerade erst die Reichhaltigkeit dieser Welt”.
Eventuell auch hilfreich: https://falkoloeffler.de/computerspiele/game-writer-faq/